Abdulrazak Gurnah

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Abdulrazak Gurnah auf der „Blauen Couch“ in Leipzig (2022)

Abdulrazak Gurnah (* 20. Dezember 1948 im Sultanat Sansibar) ist ein tansanischer Schriftsteller, der in Großbritannien lebt und arbeitet und in englischer Sprache schreibt. 2021 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Gurnah gehörte zur muslimisch-arabischstämmigen Minderheit in Sansibar; seine Muttersprache ist Swahili. 1968 kam er als Flüchtling nach Großbritannien und studierte zunächst am Christ Church College in Canterbury, dessen Abschlüsse damals von der Universität London verliehen wurden. Von 1980 bis 1982 lehrte Gurnah an der Bayero University Kano in Kano, Nigeria. Anschließend ging er an die University of Kent, wo er 1982 promovierte und bis zu seinem Ruhestand[1] als Professor für Englisch und postkoloniale Literaturen[2] lehrte.[3]

2006 wurde Gurnah zum Fellow der Royal Society of Literature gewählt.[4] Er war 2016 Juror beim Man Booker Prize,[5] nachdem er 1994 mit Paradise auf der Shortlist und 2001 mit By the Sea auf der Longlist des Booker Prize gestanden hatte.[6]

Im Jahr 2021 erhielt Abdulrazak Gurnah den Nobelpreis für Literatur „für sein kompromissloses und mitfühlendes Durchdringen der Auswirkungen des Kolonialismus und des Flüchtlingsschicksals in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinenten“.[7]

2023 wurde Gurnah zum Ehrenmitglied der British Academy ernannt. Im November 2023 hielt er die Marbacher Schillerrede.[8]

Abdulrazak Gurnah in Lillehammer (2022)

In Deutschland wurde Abdulrazak Gurnah 2004 mit seinem Roman Schwarz auf Weiß bekannt, der in Großbritannien bereits 1988 unter dem Titel Pilgrims Way erschienen war. Gurnah macht in diesem Roman den indischstämmigen Tansanier Daud zum Protagonisten, der zum Studium nach England kommt und dort vielfältige Diskriminierungen erfährt. Daud reflektiert jedoch auch, was er vor seinem Weggang aus Tansania an Grausamkeiten erlebte: die Vertreibung der Araber und Inder durch die afrikanische Bevölkerung. Gurnah erschafft in Schwarz auf Weiß auch einen negativen Gegenspieler, Karte, an dem er vorführt, dass es auch einen Rassismus gegenüber den Europäern gebe.

Heinz Hug bescheinigt dem Roman in der Neuen Zürcher Zeitung, er führe „über das Schema vieler Emigrantenromane hinaus, die die Auswanderer als bloße Opfer betrachten. Das Fehlen jeder Ideologie im Verhältnis von Kolonisierten und Kolonialherren und die differenzierte Sicht auf die Fragen der Emigration machen ‚Schwarz auf Weiß‘ zu einem überaus lesenswerten Werk“.[9] Auch in Gurnahs weiteren Romanen ist der Kern seines Schreibens die Frage nach der Identität, so Heinz Hug. Dabei stelle er „Identität- und Alteritätsmodelle zur Diskussion, die sich unter vorkolonialen und kolonialen Bedingungen entwickelten: einerseits eine statische Auffassung von Identität, die im Fremden das ganz Andere sieht, und andererseits die Vorstellung, dass zwischen dem Selbst und dem Anderen etwas in Bewegung geraten kann“.[10]

Zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Nobelpreises war keiner der fünf in die deutsche Sprache übersetzten Titel mehr im Buchhandel verfügbar.[11] Gurnahs Romane wurden von Helmuth A. Niederle, Stefanie Schaffer-de Vries, Inge Leipold, Eva Bonné sowie Thomas Brückner aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

Veröffentlichungen

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Paradise (1994)

Kurzgeschichten

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  • My Mother Lived on a Farm in Africa. in: NW 14: The Anthology of New Writing 14, Granta Books, London 2006, ISBN 978-1-86207-850-5.
  • The arriver's tale, in: David Herd, Anna Pincus (Hrsg.): Refugee tales. Comma Press, Manchester 2016, ISBN 978-1-910974-23-0, S. 35–40

Herausgeberschaft

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  • Manfred Loimeier: Wortwechsel. Gespräche und Interviews mit Autoren aus Schwarzafrika. Horlemann, Bad Honnef 2002, ISBN 3-89502-151-2, S. 93–99.
  • Manfred Loimeier: Gurnah, Abdulrazak, in: Axel Ruckaberle (Hrsg.): Metzler Lexikon Weltliteratur. 1000 Autoren von der Antike bis zur Gegenwart. Metzler, Stuttgart 2006, ISBN 3-476-02093-2, S. 82f.[14]
  • Philip Whyte: East Africa in Postcolonial Fiction: History and Stories in Abdulrazak Gurnah’s Paradise, in: Stefan Noack, Christine de Gemeaux u. Uwe Puschner: Deutsch-Ostafrika. Dynamiken europäischer Kulturkontakte und Erfahrungshorizonte im kolonialen Raum (Zivilisationen und Geschichte, Bd. 57), Peter Lang, Berlin 2019, S. 251–270.
  • Tina Steiner: Translated people, translated texts : language and migration in contemporary African literature. Manchester : St. Jerome Publ., 2009, S. 97–123
Commons: Abdulrazak Gurnah – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. BR24 Redaktion: Literaturnobelpreis 2021 geht an Abdulrazak Gurnah. In: BR24.de. Bayerischer Rundfunk, 7. Oktober 2021, abgerufen am 7. Oktober 2021.
  2. Literaturnobelpreis geht an Abdulrazak Gurnah, boersenblatt.net, veröffentlicht und abgerufen am 7. Oktober 2021.
  3. Saubere Tassen. Ostafrikanische Autoren im Hessischen Literaturforum in FAZ vom 26. Februar 2011, Seite 51
  4. Abdulrazak Gurnah. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. Oktober 2020; abgerufen am 7. Oktober 2021 (britisches Englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/rsliterature.org
  5. 2016 Judges announced, bei: thebookerprizes, 14. Dezember 2015
  6. The Booker Prizes, veröffentlicht und abgerufen am 7. Oktober 2021
  7. The Nobelprize Abdulrazak Gurnah Facts, abgerufen am 7. Oktober 2021
  8. Marbacher Schillerreden auf dla-marbach.de, abgerufen am 12. November 2023.
  9. Heinz Hug: Emigration als Pilgerreise in: Neue Zürcher Zeitung vom 30. August 2005
  10. Heinz Hug: Geschichte und Identität, in: Neue Zürcher Zeitung vom 20. Januar 2007, S. 27
  11. „Er vermeidet einfache Urteile und Lösungen“. Gespräch mit Thomas Brückner beim Bayerischen Rundfunk, 8. Oktober 2021.
  12. Süddeutsche Zeitung, 7. Dezember 2021, Seite 14.
  13. Sigrid Löffler: Abdulrazak Gurnahs Roman „Ferne Gestade“. Abgerufen am 5. April 2022.
  14. Profil von Abdulrazak Gurnah, abgerufen am 7. Oktober 2021.